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14. Arbeitstreffen des „Netzwerk Gesundheit und Kultur in der volkskundlichen Forschung”

Differenzen – Zur Bedeutung sozialer und kultureller Ungleichheiten in der Biomedizin

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Nachdem bereits die Kategorien "Raum" (2009) und "Zeit" (2010) als Leitperspektiven der vergangenen Arbeitstagungen des Netzwerks dienten, sollen bei dem kommenden Treffen Formen und Bedeutungen sozialer und kultureller Differenzen in der Biomedizin aus den Blickwinkeln verschiedener Disziplinen ausgelotet werden.

Während im bundesdeutschen Diskurs um die Reform des Gesundheitssystems der Begriff der "Zwei-Klassen-Medizin" oftmals als polemisches Schlagwort im parteipolitischen Streit Verwendung findet, steht im internationalen Kontext die Bedeutung der Kategorie "soziale Gruppe" für Zugänge zum Gesundheitssystem außer Frage. Den hierdurch hervorgerufenen Phänomenen und Prozessen soll in dem Arbeitstreffen aus einer interdisziplinär – interdisziplinär-kulturwissenschaftlich ausgerichteten Perspektive nachgegangen werden. Ziel ist es, einen weit gefassten ethnographischen Kulturbegriff im Feld der Biomedizin anzuwenden, wobei die Frage der sozialen Differenz im Feld des Medikalen als Leitperspektive dienen wird. Vorgeschlagen seien an dieser Stelle vier Aspekte, die im Verlauf der Arbeitstagung auf ihre Bedeutung für das Feld medikalkultureller Prozesse vertieft werden sollen: Individuum versus Gruppe, Ökonomisches Kapital, Geschlecht und Alter.

Alle vier Kategorien eignen sich sowohl für historische als auch für gegenwartsorientierte Ansätze, können interkulturell vergleichend oder exemplarisch bearbeitet werden. Als zentrale Elemente, die als "Marker" für Differenz in unterschiedlichen Kulturen genutzt werden, verweist der Umgang mit ihnen und die Relevanz, die ihnen zugewiesen wird, auf grundlegende kulturelle Strukturen einer Gesellschaft. Das medikalkulturelle Feld erweist sich dabei als besonders aussagekräftig: hier werden normierend Konzepte von Körper wie beispielsweise konkrete Körperpraxen empfohlen, verordnet, verboten oder pathologisiert. Das heißt, die zugrundeliegenden kulturellen Vorstellungen sowie Mechanismen sozialer In- und Exklusion treten deutlich zutage. Sichtbar werden diese Prozesse beispielsweise in Zusammenhang mit der Medikalisierung von Reproduktion und Geburt, bei gestörten Kommunikationsprozessen zwischen ÄrztInnen/TherapeutInnen und PatientInnen oder aber dem unterschiedlichen Umgang mit Krankheit oder Gesundheit hinsichtlich Geschlechts- und Altersperspektiven. Ähnliches gilt für eine geschlechtersensiblen Pharmaforschung hin zu neueren Therapiemaßnahmen, über die sogenannte "individualisierten Medizin", die dem Patienten eine angepasste Therapie vorhersagt, bis schließlich hin zu Entscheidungen über lebensverlängernde Maßnahmen. In schicht- und geschlechtsspezifischen Morbiditäts- und Mortalitätsraten finden Strukturen der Ungleichheit letztlich auch ihren messbaren Niederschlag.

Ein volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Blick auf diese Prozesse und Phänomene hat das Potential, vielfältige und vielgestaltige kulturelle Repräsentationen von sozialer und kultureller Differenz mit ihren spezifischen Interaktionsstrukturen, Handlungspraxen, Diskursen und Bedeutungszuweisungen in einer inter- und transdisziplinären Perspektive zu erschließen. Angesprochen sind WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Volkskunde/Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie, Soziologie, Geschichte, Ethnologie, Geschlechterforschung, Medizin, Psychologie und anderen Disziplinen, die sich aus kulturwissenschaftlicher Perspektive mit diesen Fragen auseinandersetzen.

Darüber hinaus stellt das Netzwerk einen diskursiven Austausch und die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern dar. Wie auch bei den vergangenen Tagungen sind Kolleginnen und Kollegen in verschiedenen Qualifizierungsphasen (BA/MA/Magister/Diplom/Dissertation/Habilitation) explizit angesprochen, ihre Themen/Fragestellungen/Methoden im Rahmen der Netzwerktagung vorzustellen und zu diskutieren.
Wir hoffen, mit dem gewählten Themenschwerpunkt viele Kolleginnen und Kollegen anzusprechen und bitten um entsprechende Themenvorschläge für Vorträge von 30 Minuten Länge aus dem gesamten Bereich kulturwissenschaftlicher Forschung. Interessierte werden gebeten, ihren Vortragsvorschlag kurz zu skizzieren (Umfang ca. ½ Seite) und bis zum 15. Dezember 2011 einzureichen bei Sabine Woehlke (sabine.woehlke@medizin.uni-goettingen.de) oder Dagmar Hänel (dagmar.haenel@lvr.de). Auch Anmeldungen zur Teilnahme ohne Referat werden gerne entgegengenommen.

Das Treffen soll auf die bekanntermaßen entspannte und offene wie gleichzeitig auch arbeitsintensive Art durchgeführt werden. Die Tagung findet anders als in den vergangenen Jahren in diesem Jahr in Göttingen statt. Es wird eine Teilnahmegebühr von 30 Euro erhoben. Der Tagungsort ist die Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin in Göttingen. Die Kosten für Reise und Unterkunft muss von den Teilnehmern selbst getragen werden. Für alle Teilnehmenden werden zeitnah Programminformationen sowie Anreise- und Unterkunftsinformationen versandt.

Wir freuen uns auf ein interessantes Netzwerktreffen 2012!

Dagmar Hänel und Sabine Wöhlke