12. Arbeitstreffen des „Netzwerk Gesundheit und Kultur in der volkskundlichen Forschung”
„Medikale Räume“– Zur Interdependenz von Raum, Körper, Krankheit und Gesundheit
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Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Kategorie „Raum“ zu einem Schlüsselbegriff der unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen entwickelt. Dieser Begriff von „Raum“ rückt dabei nicht nur physisch-territoriale Landschaften in das Forschungsinteresse, sondern auch Orte, in denen soziale Beziehungen hergestellt und Interessenskonflikte ausverhandelt werden sowie vor allem interdependente Prozesse zwischen Räumen, Interaktionen und Konzepten.
Für die zwölfte Netzwerk-Tagung ist daher eine thematische Fokussierung auf „räumliche“ Aspekte im kulturellen Umgang mit Körper, Krankheit und Gesundheit intendiert. Ein volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Blick auf „Verräumlichungen der medikalen Kultur“ und auf „Orte der Gesundheit/Krankheit“ bietet das Potential, vielfältige und vielgestaltige räumliche Repräsentationen von Körperkonzepten mit ihren spezifischen Interaktionsstrukturen, Handlungspraxen, Diskursen und Bedeutungszuweisungen in einer inter- und transdisziplinären Perspektivierung zu erschließen.
Mögliche Ansätze zur Bündelung verschiedener Forschungsperspektiven wären folgende:
Konkrete Orte
Damit sind jene Orte gemeint, an denen sich Ausdifferenzierungen des medizinischen Angebots und Spezialisierungen des medizinischen Marktes manifestieren. Dabei kann die „klassische“ Arzt- oder Therapeutenpraxis in ihren alltäglichen Bezügen ebenso thematisiert werden wie diejenigen Räume, in denen alternativmedizinisch, naturheilkundlich, fernöstlich oder aber auch religiös-spirituell orientierte HeilerInnen tätig sind. Hier wären auch Selbsthilfegruppen, Gesundheitsvereine oder aber auch Wallfahrtsorte bzw. vergleichbare Plätze/Objektivationen mit zugeschriebener heilkräftiger Ausstrahlung anzusiedeln.
Von besonderem Interesse könnten hier Bezüge von Raum und sozialer Hierarchie, Geschlecht und Ethnizität, Materialität und symbolische Repräsentationen sowie damit verbundene Prozesse von Stereotypisierung darstellen.
Virtuelle, mediale und transitorische Orte
Auch im Bereich von Körper und Gesundheit finden sich vielfältige Nicht-Orte, also Räume, die gerade durch ihre „Ortlosigkeit“ gekennzeichnet sind. Hier können medikale Räume des Thirdspace eine wichtige Rolle spielen, z.B. gesundheitsbezogene Internetforen, die dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch von Personen mit spezifischen Krankheitsbildern dienen oder betreute Onlineforen aus dem Umfeld der Gesundheitsinformation, -beratung und -prävention. Dieses Konzept bietet sich allerdings auch an, um über den transitorischen Aspekt medikaler Räume nachzudenken: denn sowohl die ganz konkreten „Transiträume“ der Medizin – vom Wartezimmer bis zum Krankenwagen – als auch die strukturelle Transität von Krankheit und Behandlung repräsentieren sich in spezifischen Handlungsmustern, Diskursen und Symbolen. Als weiterer Aspekt ließen sich mediale Darstellungen medikaler Räume diskutieren: denn angefangen beim klassischen Arztroman über Ärzte- und Krankenhausserien bis hin zu Krankheit als literarisches und mediales Motiv scheint die Attraktivität dieser Thematik in popularen Medien bis heute ungebrochen. Mit einer Fokussierung auf die mediale Inszenierung und Darstellung von medikalen Räumen bieten sich interessante Einblicke in Prozesse von interdependenten Bezügen zwischen Medien und Alltag, die Herstellung medikaler Wissensbestände sowie von Stereotypen und Klischees.
Medikale Räume im Vergleich
Im Zeitalter der Globalisierung treffen unterschiedliche medikale Traditionen, und Wissensbestände aufeinander. Die dabei stattfindenden Angleichungs- und Austauschprozesse können durchaus konflikthaft sowohl im individuellen Alltag als auch auf der Ebene von staatlichen Gesundheitssystemen (Gesetzgebung, Institutionalisierung, Gesundheitsverwaltung, Professionalisierung) repräsentiert werden. Aber auch unterschiedliche Institutionen (Krankenhaus, Psychiatrie, Sanatorium) oder verschiedene Phasen des „Medikalisierungsprozesses“ sollen vergleichend diskutiert werden.
Medikale Räume als soziale Räume
Medikale Räume zeichnen sich durch Interaktions- und Kommunikationsprozesse zwischen unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen aus. Sie bieten Rahmen für oder limitieren spezifische Performanzstrategien, die im Verlaufe der Behandlungssituation von Heilenden, Pflegenden, PatientInnen, Erkrankten, Betroffenen oder deren Angehörigen praktiziert werden.
Ein zweiter Schwerpunkt des Netzwerks stellt den diskursiven Austausch und die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern dar. Wie auch bei den vergangenen Tagungen sind Kolleginnen und Kollegen in allen verschiedenen Qualifizierungsphasen (BA/MA/Magister/Diplom/Dissertation/Habilitation) explizit angesprochen, ihre Themen/Fragestellungen/Methoden im Rahmen der Netzwerktagung vorzustellen und zu diskutieren. Um hier durch eine thematische Festlegung keine interessierten Nachwuchswissenschaftler auszuschließen, ist der zweite Teil der Tagung für Vorträge reserviert, die sich nicht explizit in den thematischen Schwerpunkt „Medikale Räume“ einordnen lassen, die aber die vielfältigen Perspektiven kulturwissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Körper, Gesundheit und Krankheit repräsentieren.
Wir hoffen, mit dem gewählten Themenschwerpunkt viele Kolleginnen und Kollegen anzusprechen und bitten um entsprechende Themenvorschläge für Referate von 30 Minuten Länge aus dem gesamten Bereich kulturwissenschaftlicher Forschung. Interessierte werden gebeten, ihren Referatsvorschlag kurz zu skizzieren (Umfang ca. ½ Seite) und bis zum 15. Dezember 2008 einzureichen (Dagmar Hänel (dagmar.haenel@lvr.de), Telefon: +49 (228) 9834 261). Auch Anmeldungen zur Teilnahme ohne Referat nimmt Dagmar Hänel entgegen.
Das Treffen soll auf die bekanntermaßen entspannte und offene wie gleichzeitig auch arbeitsintensive Art durchgeführt werden. Eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben. Die Kosten (zwei Übernachtungen mit Vollpension) belaufen sich auf 168 Euro (Einzelzimmer) bzw. 282 Euro (Doppelzimmer).